„Ich bin nicht gut genug“ – viele Musikerinnen quält dieser Gedanke. Ich erkläre, wie er entsteht und was Du tun kannst, um Dich davon zu lösen. Denn vielleicht ist Dein Gefühl kein Beweis für Unfähigkeit, sondern ein Zeichen für wachsende Expertise.
Was das Imposter-Syndrom eigentlich ist
Das sogenannte Imposter-Syndrom (auf Deutsch oft „Hochstapler-Syndrom“) beschreibt das Phänomen, sich trotz objektiver Erfolge wie eine Täuscherin zu fühlen. Menschen mit diesem Empfinden glauben, sie seien weniger kompetent, als andere denken – und jederzeit könnte „jemand merken“, dass sie gar nicht so gut sind.
Besonders Musikerinnen sind davon betroffen. In einer Branche, in der ständige Bewertung, Wettbewerbe und öffentliche Auftritte zum Alltag gehören, fällt es schwer, Selbstzweifel von realem Feedback zu unterscheiden. Das Imposter-Syndrom wirkt hier wie ein unsichtbarer Filter: Egal, wie viel Du leistest, es scheint nie genug.
Aber woher kommt dieses Gefühl überhaupt?
Ein kurzer Blick in die Geschichte – das „Bicycle Face“
Eine faszinierende Perspektive auf das Imposter-Syndrom bietet der TED-Talk von Reshma Saujani, Gründerin von Girls Who Code (YouTube-Link). Sie erklärt darin, dass das Imposter-Syndrom kein neutrales psychologisches Phänomen ist, sondern historisch gewachsen – und in Teilen ein Produkt gesellschaftlicher Manipulation.
Im 19. Jahrhundert, als Frauen begannen, Fahrrad zu fahren, war das ein Symbol für Selbstbestimmung. Doch gleichzeitig erfand man den Begriff des „Bicycle Face“ – angeblich ein krankhaftes Gesicht, das Frauen bekommen würden, wenn sie Fahrrad fuhren. Der Zweck war klar: Frauen sollten davon abgehalten werden, Freiheit und Bewegung zu genießen.
Saujani zieht daraus eine Parallele: Auch das Imposter-Syndrom dient dazu, Frauen kleinzuhalten. Es flüstert ihnen ein, dass sie „zu wenig“, „nicht gut genug“ oder „nicht bereit“ sind – selbst dann, wenn sie längst erfolgreich sind.
Wenn Du Dich also wieder einmal fragst, ob Du „gut genug“ bist, lohnt sich der Gedanke: Wer profitiert eigentlich davon, wenn Du an Dir zweifelst?
Was in Deinem Kopf wirklich passiert
Doch vielleicht kann man es auch so betrachten, dass das Imposter-Syndrom kein Beweis für Unfähigkeit ist, sondern oft ein Zeichen von Bewusstsein. Du siehst die Komplexität Deiner Arbeit, erkennst, was noch zu lernen ist – und überschätzt deshalb den Anteil, den Du noch nicht kannst.
Viele Musikerinnen erleben genau das:
-
- Du bist nach außen erfolgreich, aber innerlich unsicher.
- Du vergleichst Dich mit Kolleg:innen, die scheinbar „weiter“ sind.
- Du glaubst, Deine Erfolge seien Glück oder Zufall.
Diese Gedanken sind kein Zeichen von Schwäche, sondern von Reflektion. Sie zeigen, dass Du Deine Fähigkeiten differenziert wahrnimmst – ein Schritt, den Menschen mit geringerer Kompetenz oft noch gar nicht machen.
Dunning-Kruger-Effekt: Warum Zweifel manchmal Kompetenz zeigen
Hier kommt eine spannende Theorie ins Spiel: der Dunning-Kruger-Effekt.
Er besagt, dass Menschen mit geringer Kompetenz dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen – während kompetente Menschen dazu neigen, sich zu unterschätzen.
Wenn Du also denkst: „Ich weiß gar nicht genug“, ist das möglicherweise genau der Punkt, an dem Du bereits viel weißt. Du siehst die Feinheiten, die andere gar nicht erkennen.
Das bedeutet: Ein gewisses Maß an Selbstzweifel ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Expertise.
Es gibt eine Art Lernkurve:
-
- Wer wenig weiß, glaubt, alles zu können.
- Wer mehr lernt, erkennt, wie viel er noch nicht weiß – und wird unsicher.
- Wer schließlich echte Expertise erreicht, gewinnt innere Sicherheit zurück.
Musikerinnen befinden sich oft in dieser zweiten Phase: Sie haben viel gelernt, aber ihr Bewusstsein für Qualität ist so geschärft, dass sie ihre eigene Leistung kritisch hinterfragen.
Eine neue Perspektive auf Selbstzweifel
Ich persönlich halte wenig davon, ständig vom Imposter-Syndrom zu sprechen. Der Begriff fixiert Dich auf ein Defizit – als wäre etwas mit Dir „nicht in Ordnung“. Ich finde es hilfreicher, über Selbstwahrnehmung und Lernprozesse zu sprechen.
Wenn ich denke: „Ich kann das nicht“, frage ich mich heute: Was genau kann ich noch nicht – und will ich es überhaupt können?
Manchmal ist das, was wir als „Mangel“ empfinden, schlicht eine bewusste Entscheidung, einen anderen Fokus zu setzen.
Ich sehe meine Fähigkeiten heute dynamisch:
-
- Es ist normal, dass ich nicht alles kann.
- Es ist gesund, mich weiterzuentwickeln.
- Es ist erlaubt, auch mal so zu tun, als ob – um zu sehen, was passiert.
Dieser Perspektivwechsel ist befreiend. Statt zu denken: „Ich fliege auf“, kannst Du denken: „Ich lerne gerade – und das ist gut so.“
Fazit: Zwischen Können, Lernen und Wachsen
Das Imposter-Syndrom bei Musikerinnen ist mehr als ein persönliches Gefühl – es ist ein kulturelles Muster, das Frauen über Generationen hinweg verinnerlicht haben. Doch Selbstzweifel bedeuten nicht, dass Du unfähig bist. Oft zeigen sie, dass Du reflektierst, Verantwortung übernimmst und Dich weiterentwickelst.
👉 Wenn Du lernen möchtest, Deine Fähigkeiten realistisch einzuschätzen, Deine Stärken zu erkennen und Selbstzweifel als Teil Deiner Entwicklung zu sehen: Buche ein kostenloses Erstgespräch für unser Coaching oder abonniere unseren Newsletter. Wir finden gemeinsam heraus, wie Du Deine Kompetenz klarer wahrnimmst – und sie selbstbewusst zeigst.
eCONBRIO professionalisiert kreative Karrieren – strategisch, systemisch, künstlerisch.
Lust auf Zusammenarbeit?
Wir freuen uns über Anfragen von Künstler:innen, Teams und Hochschulen.